2.2.2015, taz-Café Berlin
Am 25. Januar 2015 hat das Linksbündnis Syriza die Parlamentswahl in Griechenland deutlich gewonnen. Schon am nächsten Tag stand das Regierungsbündnis mit der rechtspopulistischen Partei Anel. Die ersten Schritte der neuen Regierung wurden auch in Deutschland aufmerksam verfolgt.
Wir wollten als DL21 mit Beteiligten und Experten über die Lage in Griechenland nach der Wahl und die Auswirkungen der Austeritätspolitik auf das Land sprechen. Dazu hatten wir Giorgos Chondros (Mitglied im Zentralkomitee von Syriza), Norbert Spinrath, MdB (Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion), Prof. Dr. Klaus Busch (Universität Osnabrück und europapolitischer Berater von ver.di) und Georgios Pappás (Berliner Korrespondent der griechischen Zeitung Ta Nea) zu einer Podiumsdiskussion ins taz-Café nach Berlin eingeladen. Gut 100 Gäste waren gekommen, um den Ausführungen der Diskutanten zu lauschen und mit ihnen zu diskutieren.
Die DL21-Vorsitzende, Hilde Mattheis, MdB, die die Veranstaltu ng moderierte, betonte eingangs, dass die DL21 sich bereits 2008 gegen die Austeritätspolitik der EU ausgesprochen hat und mit ihren Verbündeten in Frankreich, Österreich und Italien im Bündnis „Europa geht anders“ dagegen aktiv geworden ist.
Kritik an der Austeritätspolitik der EU
Alle Teilnehmer auf dem Podium hielten die einseitige Sparpolitik der EU für verfehlt. Giorgos Chondros schilderte die „soziale Katastrophe“, die durch das Sparprogramm entstanden ist. In Griechenland seien die Einkommen durch die Sparauflagen um mehr als 40 Prozent gesunken, in anderen Krisenstaaten in Südeuropa dagegen nur um etwa sechs Prozent. Durch die Privatisierungswelle habe ein Ausverkauf öffentlicher Güter stattgefunden. Seit dem Wahlsieg von Syriza beobachtet er einen Stimmungswandel im Land. Die Menschen lächelten wieder. Als er vergangene Woche Taxi gefahren sei, habe der Fahrer von ihm kein Geld verlangt. Für ihn sei es bereits ausreichend, dass Griechenland diese neue Regierung habe, habe er Chondros erklärt.
Norbert Spinrath betonte, für die Folgen der Sparpolitik seien aber auch die griechischen Regierungen der letzten Jahre verantwortlich, die die Sparauflagen einseitig umgesetzt und vor allem eine Politik zu Lasten des „kleinen Mannes“ betrieben haben. Es sei nun an der Zeit, endlich die Steuern für wohlhabende Griechen zu erhöhen. Der Wahlsieg Syrizas könne auch als eine Lektion für die Konservativen in Europa verstanden werden. Man müsse jetzt von der einseitigen Austeritätspolitik abrücken.
Giorgos Chondros stellte dar, welche Maßnahmen die neue Regierung bereits ergriffen hat, um das Leben der griechischen Bevölkerung zu verbessern. So sei unter anderem die Treuhandgesellschaft abgeschafft und der Verkauf der staatlichen Stromgesellschaft gestoppt worden. Der Mindestlohn werde wieder angehoben, das „Eintrittsgeld“ von fünf Euro für Krankenhausbehandlungen sei abgeschafft worden.
Forderung nach mehr Investitionen und Konjunkturprogrammen
Einig war sich das Podium hinsichtlich der Notwendigkeit, Konjunkturprogramme aufzulegen. Georgios Pappás verwies darauf, dass Deutschland zu Beginn der Bankenkrise große Konjunkturprogramme aufgelegt und diese so erfolgreich gemeistert habe. Diese Maßnahmen solle Deutschland jetzt auch anderen EU-Staaten ermöglichen.
Ähnlich äußerte sich Prof. Dr. Klaus Busch. In Griechenland müsse nun für Wachstum gesorgt werden, dazu bedürfe es öffentlicher Investitionen. Im Übrigen müsse auch Deutschland seine Wirtschaftspolitik ändern. In Davos seien Gabriel und Merkel von allen Partnern dazu gedrängt worden, als Lokomotive für Europa aktiv zu werden. „Wir brauchen mehr öffentliche Investitionen“, forderte Busch. Die USA hätten dank ihrer expansiven Finanzpolitik wieder Wachstum geschaffen, in Europa dagegen habe das Sparen zur Stagnation geführt. In diesem Zusammenhang kritisierte Busch auch die Abkehr der SPD vom europapolitischen Teil ihres Wahlprogramms. Die darin enthaltenen Forderungen (Marshallplan und Investitionsprogramm für Europa, Eurobonds, Maßnahmen zur Lohnangleichung innerhalb der EU, schärfere Finanzmarktregulierung) seien sehr gut gewesen. Darauf müsse die Partei sich wieder besinnen. Statt sich auf die „schwarze Null“ zu fixieren, müsse der Staat verstärkt investieren. Die Darlehen dafür bekomme er aktuell zu einem Zinssatz von nahezu null Prozent. Das sei wesentlich sinnvoller als öffentlich-private Partnerschaften einzugehen, bei denen privaten Investoren wie der Allianzversicherung Zinsen von sieben Prozent garantiert würden.
Skepsis gegenüber einem Schuldenschnitt
Skeptisch zeigten sich die meisten Diskutanten gegenüber einem Schuldenschnitt für Griechenland, wie ihn Giorgos Chondros forderte. Norbert Spinrath verwies darauf, dass ein solcher Schuldenschnitt auch in Deutschland Bevölkerungsteile treffen würde, die sich das nicht leisten könnten. Prof. Dr. Klaus Busch plädierte für einen „weichen Schuldenschnitt“, indem die Zinsbelastung für Griechenland gesenkt und die Tilgungsfristen gestreckt würden. Dann sei die Schuldenlast auch für Athen tragbar.
Koalition mit Anel
Kritische Fragen gab es zu der Koalition mit den Rechtspopulisten von Anel. Giorgos Chondros erklärte, auch er sei nicht glücklich über diesen „Mehrheitsbeschaffer“ (von einem Koalitionspartner wollte er nicht sprechen). Aber es habe für Syriza nur noch schlechtere Optionen gegeben. Mit den alten Parteien, Nea Dimokratia und Pasok, die für die Misere im Land verantwortlich seien, habe man keine Regierung bilden können. To Potami sei kein entschiedener Gegner der Sparpolitik und die Kommunisten hätten sich einer Regierungsbeteiligung strikt verweigert. Eine Koalition mit der neonazistischen Partei „Goldene Morgenröte“ verbiete sich von selbst.
Diesbezüglich herrschte übrigens Einigkeit: Wenn Syriza scheitert, drohe ein Wahlsieg der Goldenen Morgenröte. Dies müsse auf jeden Fall verhindert werden.