Gerade mal 11 Prozent der Wählerstimmen konnte die SPÖ bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Österreich erringen. Der Sieg ging an den Rechtpopulisten Norbert Hofer von der FPÖ. Nur knapp gewann der Grüne, Alexander van der Bellen schließlich die Stichwahl mit 50,3 zu 49,7 Prozent.
Heißt das, dass die Hälfte der Wählerinnen und Wähler autoritäre Rechtspopulisten sind? Wie ist die Talfahrt der SPÖ (aber auch der ÖVP) zu erklären? Welche Rückschlüsse können wir als SPD aus den Ereignissen im Nachbarland ziehen? Diese Fragen standen im Zentrum unseres DL-Dialogs „SPÖ auf Talfahrt – Rechtspopulisten im Aufwind?“, der am am 7. Juni 2016 in Berlin stattfand. Mit uns diskutierten die ehemalige SPÖ-Abgeordnete, Sonja Ablinger, die Gründerin des Politikkongresses Momentum, Barbara Blaha und Maxi Lengger von der Sektion 8 der SPÖ (die Sektion 8 ist eine Untergliederung der SPÖ, die sich als NGO innerhalb der Partei versteht).
Zur Begrüßung verwies Stefan Stache (DL21-Vorstandsmitglied und Chefredakteur der spw) darauf, dass das Wahlergebnis nicht allein auf Managementfehler zurückzuführen sei. Vielmehr sei eine Mehrfachkrise als Ursache auszumachen. Es gebe eine Krise der Repräsentation.
Diese Einschätzung teilten auch die Podiumsteilnehmerinnen. So verwies Barbara Blaha darauf, dass die SPÖ – ähnlich wie die SPD in Deutschland – ihre Glaubwürdigkeit verloren habe. So habe der zurückgetretene Bundeskanzler Faymann sich anfangs noch für eine Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen ausgesprochen. Wenige Wochen später habe er sich dann für Grenzkontrollen eingesetzt.
Auch Sonja Ablinger verwies darauf, dass die Sozialdemokraten Vertrauen verspielt hätten.
Die Menschen seien der Auffassung, die Politik könne ihr Leben nicht verbessern. Die politischen Leerformeln der Regierung wiedersprächen zudem ihrer Lebenswirklichkeit. So heiße es vonseiten der Politik zum Beispiel, Österreich sei gut durch die Krise gekommen. Tatsächlich liege die Arbeitslosigkeit für österreichische Verhältnisse aber relativ hoch, die Zahl der prekär Beschäftigten habe zugenommen und die Reallöhne seien gesunken.
Die SPÖ habe 18 Wahlen in Folge verloren. Als Grund habe die Parteispitze lediglich eine falsche Kommunikationsstrategie ausgemacht anstatt über eine andere Politik nachzudenken.
Maxi Lengger erklärte, dass die Stimmung in der Bevölkerung bröckele, seit es im Land kein Wachstum mehr gebe. Die große Zahl von Flüchtlingen sei übrigens nicht das einzige wichtige Thema für das Wahlergebnis gewesen. Ein großes Problem sah sie in der Distanz zwischen der Politik und den Menschen.
Den Aufstieg der FPÖ sahen die drei Diskutantinnen nicht als ein spezifisch österreichisches Phänomen. Überall in Europa seien die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Man könne in Österreich beobachten, welchen Weg andere Länder der EU künftig einschlagen könnten, so Sonja Ablinger. Das Beschreiten des sogenannten Dritten Weges durch die Sozialdemokratie – also etwa die Deregulierung oder der Rückbau des Sozialstaates – hätten die Rechtspopulisten erst stark gemacht. Auf die Finanzmarktkrise hätte keine sozialdemokratische Partei eine konsistente Antwort gehabt – etwa, dass die Löhne mit der Produktivität steigen müssen.
Die Referentinnen waren sich einig, dass es eine konsistente Gegenpolitik zu herrschenden Vorurteilen à la „Die Flüchtlinge leisten nichts und bekommen alles umsonst“ geben müsse. Zu diesem Mythos müsse es eine Gegenerzählung geben, der deutlich mache, dass nicht die Flüchtlinge, sondern die Ungerechtigkeit im Land das Problem seien. Darauf verwies auch Maxi Lengger. Es sei zu einfach, Leuten die sich beklagten, Rassismus vorzuwerfen. Es dürfen nicht die Schwächsten in der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr müsse die Debatte eine andere Stoßrichtung bekommen, indem thematisiert werde, dass die Löhne und Renten zu gering seien und die soziale Absicherung nicht ausreiche.
Schädlich sei es vor allem, wenn die SPÖ beginne, die Freiheitlichen zu kopieren. Wenn die SozialdemokratInnen etwa begönnen, in der Flüchtlingspolitik Positionen der FPÖ zu übernehmen, säße diese dadurch mit auf der Regierungsbank, ohne an der Koalition beteiligt zu sein, so Sonja Ablinger.
Welche Empfehlungen gaben die drei Diskutantinnen der SPÖ – aber auch der Sozialdemokratie allgemein – nun als Fazit mit auf den Weg?
Maxi Lengger hob hervor: Man müsse deutlich machen, dass die Politik die Welt verändern kann und nicht der Markt der Sagen hat.
Zudem forderte sie mehr innerparteiliche Demokratie. Die SPÖ, die bis zu einem gewissem Grad ein autoritäres System sei, sollte sich gegenüber konstruktiven Vorschlägen, wie sie etwa aus Sektion 8 kämen, öffnen.
Dieser Forderung schloss sich Barbara Blaha an. An innerparteilichen Wahlen müsse sich die gesamte Partei beteiligen dürfen. Jedes Mitglied müsse die Möglichkeit haben, dass die eigene Stimme zählt. Zudem zeigte sie sich offen für die zeitliche Begrenzung der Laufzeit von politischen Ämtern.
Sonja Ablinger betonte die Bedeutung der Kooperation mit außerparlamentarischen Bewegungen. Wenn man mit seiner Meinung in der Minderheit sei, müsse man sich Verbündete suchen, um eine Mehrheit für die eigene Position zu gewinnen. Es gebe genug Beispiele, bei denen dies gelungen sei.
Wer am Dienstag nicht dabei sein konnte, kann die gesamte Diskussion hier noch einmal nachschauen.