von Rita-Hagl-Kehl, MdB
21.03.2016
Aktuelle Diskussion und Neuzulassung auf EU – Ebene
Seit einigen Jahren warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosat-Einsatzes. Die
internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation(WHO), hat im März 2015 den Wirkstoff Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.
Diese IARC-Einstufung hat die Bedenken der Gesellschaft und der Verbände gegenüber Glyphosat weiter verstärkt. Dennoch werden die Bedenken vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht geteilt. Die EU-Kommission wird voraussichtlich Anfang März 2016 entscheiden, ob das Herbizid für weitere zehn Jahre zugelassen wird. Im Verfahren zur Neuzulassung auf EU-Ebene ist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) der zuständige Berichterstatter für die Risikobewertung. Das BfR hat seine Bewertung, unter Berücksichtigung der IARC-Monographie, an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weitergeleitet. Die EFSA ist für die finale Empfehlung an die EU-Kommission zuständig. Die EFSA zog im November 2015 folgende Schlussfolgerungen:
„Die Substanz ist wahrscheinlich nicht genotoxisch (d.h. DNA schädigend) oder stellt eine krebserregende Bedrohung für den Menschen dar. Es wird nicht empfohlen, Glyphosat als karzinogen gemäß der EU-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen einzustufen.“ Nach dieser Empfehlung der EFSA ist eine europaweite erneute Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat im Frühjahr 2016 ziemlich wahrscheinlich.
Glyphosat als Pflanzenschutzmittel
Glyphosat ist der Wirkstoff, der als sogenanntes Totalherbizid zur Regulierung von Unkräutern eingesetzt wird. Laut des Umweltbundesamtes wurden in Deutschland im Jahr 2012 knapp 6000 Tonnen Glyphosat eingesetzt, mit steigender Tendenz. Durch die zunehmende Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel kommt es in Europa vereinzelt zur Resistenzbildung von Unkräutern gegen den Wirkstoff Glyphosat. In Deutschland gibt es derzeit 29 zugelassene glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel. Sie werden unter mehr als 80 Handelsbezeichnungen vermarket. Mehr als die Hälfte davon sind für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland auf etwa 37 Prozent der Ackerflächen glyphosathaltige Wirkstoffe eingesetzt, was über 4 Millionen Hektar entspricht. Die Anwendung erfolgte vor allem zu Winterraps (71,5%) und Rüben (48,4%). Bei Wintergetreide, Mais und Leguminosen wird knapp ein Drittel der Anbaufläche behandelt. Dabei wird Glyphosat vor allem für die Stoppelbehandlung nach der Getreideernte und für die Anwendung vor Aussaat der Folgekultur verwendet. Vor der Ernte (Sikkation) wird Glyphosat auf etwa 6 Prozent der Ackerflächen angewandt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat im Mai 2014 den Einsatz von Glyphosat eingeschränkt, sodass Spätanwendungen zur Abreifebeschleunigung (Sikkation) vor der Ernte
im Getreideanbau nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sind.
Glyphosathaltige Mittel werden vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, aber auch im kommunalen und öffentlichen Bereich.
Die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbrauchern schützen und die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft fördern
Die aktuelle Studie der IARC-Arbeitsgruppe mit der Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ hat zu großer Besorgnis in der Gesellschaft geführt. Einige Baumärkte haben daraufhin glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel freiwillig aus ihrem Sortiment genommen. Andererseits weisen andere Studien (jüngst das BfR) darauf hin, dass Glyphosat im menschlichen Organismus nicht nachweisbar ist. Die Verunsicherung in der Bevölkerung bleibt groß, so dass weiterer Forschungsbedarf besteht – zumal Experten fordern, die Risikoeinschätzung bezüglich Glyphosatverbindungen zu überarbeiten.
Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbrauchern und die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft stehen für die SPD-Bundestagsfraktion an erster Stelle. Wir setzen uns für eine nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft ein. Damit wir die Gesundheit von Mensch und Tier und Fruchtbarkeit unserer Böden nachhaltig schützen und gesunde und qualitative Lebensmittel produzieren können, müssen wir verantwortungsvoll damit umgehen. Die zunehmende Anwendung von glyphosathaltigen Herbizide trägt zudem zur Abnahme der biologischen Vielfalt bei. Mensch und Umwelt sind auf die Biodiversität angewiesen, so dass wir uns auch für die Sicherung der Artenvielfalt einsetzen müssen. Dies haben die Vereinten Nationen mit der UN-Dekade für den Erhalt der biologischen Vielfalt bis 2020 untermauert.
Um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, bedarf es einer Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen in Deutschland, die eine Anwendung von Glyphosat von vornherein
ausschließt. Außerdem muss der „Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ konsequent umgesetzt werden.
Die Anwendung von Glyphosat im Haus- und Kleingartenbereich sowie im kommunalen Bereich umgehend verbieten
Ein großer Teil der glyphosathaltigen Wirkstoffe sind frei erhältlich und können im privaten Bereich ohne Sachkundenachweis genutzt werden. Dabei kommt es vermehrt zu Fehlanwendungen und Überdosierung. Zudem wird Glyphosat auch im kommunalen Bereich eingesetzt. Dort dient es der Pflege von öffentlichen Grünflächen, Spielplätzen, Bahnstrecken und Autobahnrandstreifen.
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für ein Verbot der Anwendung von Glyphosat im kommunalen Bereich, bei Bahnstrecken innerorts, und in privaten Haus -und Kleingärten ein. Zum
einen wollen wir damit verhindern, dass Kinder auf Spielplätzen mit Glyphosat in Berührung kommen. Zum anderen sollen Fehlanwendungen und Überdosierungen durch Privatanwender
verhindert werden. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass glyphosathaltige Herbizide aus Vorsorge-gründen in Baumärkten und dem Internethandel nicht mehr erhältlich sind.
Die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft reduzieren
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich zudem für eine Stärkung der gezielten Forschung sicherer Alternativen von Glyphosat ein, um der deutschen Landwirtschaft langfristig Alternativen zu bieten.
Die aktuelle Studie des Julius-Kühn-Instituts „Folgenabschätzung für die Landwirtschaft zum teilweisen oder vollständigen Verzicht auf die Anwendung von glyphosathaltigen Herbiziden in
Deutschland“ legt zudem Alternativen zum Glyphosat-Einsatz durch eine bessere Bodenbearbeitung nahe.
Es sollte darüber hinaus sorgfältig geprüft werden, inwieweit der Wirkstoff durch mechanischen Arbeitsgänge mit geeigneten Geräten ersetzt werden kann, vor allem dort, wo der Einsatz in der
Landwirtschaft überflüssig ist, wie z.B. in der Stoppelbearbeitung nach der Ernte oder ggf. vor der Saat. Diese Empfehlungen müssen in die gute fachliche Praxis übernommen werden. Die Anwendung von Glyphosat muss zukünftig auf ein Mindestmaß reduziert und effizienter werden, für Mensch und Tier ungefährlich sein und unsere natürlichen Ressourcen schonen. Deswegen
setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür ein, ein Reduktionsziel und einen konkreten Ausstiegspfad für die Anwendung in der Landwirtschaft festzulegen.
Zudem brauchen wir mehr Forschungsförderung im Bereich der Pflanzenschutzmittelreduktion, um eine zukunftsfähige Landwirtschaft gestalten zu können. Die Anstrengungen aller Beteiligten zur
allgemeinen Senkung der Aufwandmengen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müssen im Rahmen des „Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“
verstärkt werden.
Rita Hagl-Kehl, MdB ist Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und Vorstandsmitglied der DL21.
Der Text ist am 23.02.2016 als Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion erschienen.