von Burkhard Zimmermann
Gut besucht und qualitativ hervorragend war der Tag der Progressiven Wirtschaftspolitik der FES am 20. März 2024. Damit wurde entscheidend die wirtschaftspolitische Debatte nach links verschoben. Sind Sozialdemokraten und viele Gewerkschafter doch jahrelang dem neoliberalen Geschwätz von Entstaatlichung und Neoliberalismus aufgesessen, o haben wir sowohl im Grundgesetz als auch in allen möglichen Landesverfassungen eine fatale Schuldenbremse festgeschrieben. Wir Gegner dieser unsinnigen Festlegungen standen – fast – isoliert in der Ecke. Das DIW wurde damals neoliberal umgestaltet, Keynesianer wurden vergrault. Gustav Horn flüchtete nach Düsseldorf: Aus den fortschrittlichen DIW-Resten entstand mit gewerkschaftlicher Unterstützung das IMK. Diese sozialdemokratische Wirtschaftspolitik wurde unter dem SPD-Vorsitz von Norbert Walter-Borjans gründlich reformiert, eine neue Wirtschaftskommission der SPD bezieht progressive Wirtschafts- und Finanzpolitiker ein. Das Ergebnis war auf der Tagung deutlich spürbar. Das IMK lebt und das DIW mit Markus Fratzscher ist wieder in die fortschrittlichen Gefilde eingetaucht. Der Hans-Matthöfer-Preis wurde am Vorabend an die aktuell in den USA lehrende junge Ökonomin Isabella Weber *1) und den Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung Alexander Hagelüken *2) verliehen, auf der Tagung war alles an fortschrittlichen Wissenschaftler*innen vertreten, von Clara Mattei aus dem USA, die deutlich die Spar- und Austeritätspolitik der Regierungen attackierte, über den Wirtschaftsweisen Achim Truger bis hin zum aktuellen IMK-Präsidenten Sebastian Dullien. Achim Truger bezeichnete die Kürzungspolitik der Ampel als „Gefahr für Konjunkturerholung“.
Star der FES-Tagung war der SPÖ-Vorsitzende Andi Babler. Mit einer kämpferischen Rede forderte er, die Debatte um Industrie- und Standort-Politik müsse ökonomisch und ökologisch „in aller Radikalität angegangen werden. Er forderte auch die deutliche Einnahmesteigerungen durch Vermögenssteuer und -abgaben etc. Babler ist per Urwahl mit wesentlicher Unterstützung der Parteijugend zum Vorsitzenden gewählt worden. Er ist immer noch Bürgermeister von Traiskirchen, dem Ort, in dem in Österreich alle Flüchtlinge ankommen. Kurz vor Corona hatte ich das Vergnügen, ihn dort intensiver kennenzulernen. Bereits damals forcierte er die Rekommunalisierung, versuchte ein desaströserweise stillgelegtes Reifenwerk durch staatliche Investitionen in Zukunftstechnologien zu reaktivieren, betrieb eine beispielhafte Sozialpolitik und zeigte uns, mit welchem Engagement Flüchtlinge geschult und auf die Arbeitswelt vorbereitet wurden.
Ein Ende der Schuldenbremse war einhellige Forderung auf der Tagung, aber es ist fraglich, wie diese Forderung mit der FDP in der Ampel-Regierung umgesetzt werden kann. Fakt ist, dass inzwischen selbst nicht nur ostdeutsche CDU-Regierungschefs wenigstens eine Reform der Schuldenbremse fordern.
*1) Isabella Weber , Das Gespenst der Inflation, Berlin 2023; sie ist bekannt durch ihre Analysen zur Gaspreis-Bremse
*2) Alexander Hagelüken, Schockzeiten, München 2023