Auftakt war am 16. Oktober ein gemütlicher Abend anlässlich des 15jährigen Bestehend der DL21 mit Detlev von Larcher und Wolfgang Biermann, dem ehemaligen Mitarbeiter von Egon Bahr.
Krieg ist ultima irratio
Das DL21-Gründungsmitglied, Detlev von Larcher, beschrieb den Übergang von Frankfurter Kreis zur DL. Deren Gründung sollte keinen Bruch mit dem Frankfurter Kreis darstellen, vielmehr sei es darum gegangen, den linken Parteiflügel durch Mitgliedsbeiträge mit finanziellen Ressourcen auszustatten und damit handlungsfähiger zu machen. Er kritisierte, dass die Finanzmärkte heute die Politik beherrschten. Dem müsse man entgegentreten. Wolfgang Biermann, der ehemalige Mitarbeiter Egon Bahrs stimmte die Anwesenden bereits auf den kommenden Tag ein, der unter dem Motto internationale Politik und Friedenspolitik stand. Er zitierte Willy Brandt, der gesagt hatte, Krieg sei nicht ultima ratio, sondern ultima irratio. Seit dem Ende der Kanzlerschaft von Willy Brandt habe die militärische Option in der Partei nach und nach immer mehr Akzeptanz gefunden.
Auch mit jenen reden, die keinen Frieden wollen
Das Thema des Samstags lautete dann „Internationale Solidarität im 21. Jahrhundert“. Die DL21-Vorsitzende, Hilde Mattheis, legte in ihrer Begrüßung dar, dass es auf der Tagung darum gehe, sich auf der einen Seite mit Fluchtursachen, auf der anderen Seite aber auch mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zu befassen. Sie stellte klar, wie wichtig es sei, das Thema von beiden Seiten zu betrachten. Auf der einen Seite müssten Fluchtursachen bekämpft werden. Sie verwies auf Willy Brandt und Egon Bahr, die deutlich gemacht haben, dass man, um Frieden zu erreichen, mit denjenigen reden müsse, die keinen Frieden wollten. Das schließe im Zweifelsfall auch Putin und Assad mit ein.
Auf der anderen Seite sieht sie die SPD bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland gefordert. Die Partei müsse diesbezüglich eine Grundhaltung an den Tag legen, die zeige, dass Flüchtlinge bei uns willkommen seien. Am Grundrecht auf Asyl dürfe nicht gerüttelt werden.
Die Kommunen hätten beim Flüchtlingsgipfel mit am Tisch sitzen müssen
Auch der Dortmunder Oberbürgermeister ging in seinem anschließenden Grußwort auf das Thema Flüchtlinge ein. Dortmund sei schon immer eine Stadt der Einwanderer gewesen. Scharfe Kritik übte er an Bundes- und Landesregierung. Sie lasse die Kommunen mit den Problemen alleine. So hätten diese beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt nicht einmal mit am Tisch gesessen. Ihre Beteiligung sei aber wichtig, um eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge auch gewährleisten zu können.
SPD muss sich wieder auf Willy Brandt besinnen
Das zweite Grußwort kam von Stefan Stache, dem Chefredakteur der spw. Er setzte sich kritisch mit dem Präsidiumspapier „Starke Ideen für Deutschland“ auseinander. In der SPD sei momentan die Erzählung im Umlauf, es gehe uns gut. Wenn die Partei die aktuelle Politik mit kleinen sozialen Korrekturen fortsetze sei sie erfolgreich. Er stellte allerdings die Frage in den Raum, was diese Erzählung, in der die bestehende Ungleichheit ausgeblendet werde, noch mit Willy Brandt zu tun habe.
Was die Partei tatsächlich brauche, sei eine Debatte über das „globale gute Leben“. Wenn die Verteilungsdebatte global geführt werde, sei das anschlussfähig an Willy Brandt.
Im ersten thematischen Block der Tagung ging es unter dem Titel „Solidarität auf internationaler Ebene“ um die Ursachen von Flüchtlingspolitik.
Unternehmen müssen Menschenrechte respektieren
Christoph Strässer, MdB und Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung referierte über das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“. Bevor er auf die UN-Leitlinien Wirtschaft und Menschenrechte zu sprechen kam, machte er deutlich, dass Menschenrechte nicht nur für die Außen- und Friedenspolitik eine Rolle spielen, sondern er sich auch für Menschenrechtsfragen im Inland zuständig sehe. In diesem Zusammenhang sprach er sich etwa deutlich gegen die von der Union ins Spiel gebrachten Transitzonen aus.
Die UN-Leitlinien „Wirtschaft und Menschenrechte“ wurden 2011 von der UNO verabschiedet. Sie besagen, dass die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte bei den Staaten liege. Unternehmen müssten die Menschenrechte allerdings ebenso respektieren. Für den Fall, dass sie das nicht täten, sollte eine Unternehmensstrafbarkeit eingeführt werden. Diese Richtlinien sollen nun in Deutschland in einen Nationalen Aktionsplan umgesetzt werden. Dieser wird 2016 vorgestellt.
Die Nebenwirkungen des Wirtschaftens der Industrieländer dürfen nicht in andere Regionen der Welt ausgelagert werden
Die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach über eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Gerechtes Wirtschaften fängt bereits in Europa an. So kritisierte sie die Griechenlandpolitik der aktuellen Bundesregierung scharf. Hier sei eine falsche Weichenstellung vorgenommen worden. Statt Sparpolitik brauche das Land nachhaltige öffentliche Investitionen.
Desweitern forderte sie, dass die Globalisierung nicht durch die Finanzmärkte dominiert werden dürfe. Nebenwirkungen des Wirtschaftens der Industrieländer dürften außerdem nicht in andere Regionen der Welt ausgelagert werden. Sie betonte, wie wichtig nachhaltiges Wirtschaften sei. In diesem Zusammenhang kritisierte sie auch das Freihandelsabkommen TTIP. Dieses marginalisiere Afrika und widerspreche den nachhaltigen Entwicklungszielen.
Wir dürfen nicht auf Kosten anderer produzieren
Auch Thilo Hoppe von Brot für die Welt, der über eine solidarische Entwicklungspolitik referierte, ging auf das Thema Nachhaltigkeit ein. Er nahm Bezug auf das UN-Gipfeltreffen zur Post-2015-Agenda, auf dem neue Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen verabschiedet wurden. Er lobte, dass die Verringerung der Ungleichheit zwischen und innerhalb der Staaten in die Ziele eingeflossen sind und sogar eine Umverteilungsmechanismus gefordert werde. Er verwies zudem darauf, dass „der Westen“ in der Verantwortung stehe, nicht auf Kosten anderer zu produzieren – weder auf die Kosten der pakistanischen Näherin oder afrikanischer Ländern, in denen Konfliktmineralien abgebaut würden, noch auf Kosten der nachfolgenden Generationen.
Im zweiten Block der Tagung ging es um Flüchtlingspolitik als konkrete Solidarität.
Artikel 1 des Grundgesetzes lautet nicht: „Die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.“
Der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, kritisierte das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das Bundestag und Bundesrat gerade verabschiedet hatten. Indem die Kategorie des physischen Existenzminimums eingeführt wurde und das Sachleistungsprinzip wieder gelte, sei die Würde des Menschen neu definiert worden. Artikel 1 des Grundgesetzes laute nicht: „Die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.“ Er wandte sich deutlich dagegen, Zahlen für Obergrenzen von Flüchtlingen einzuführen. Dies stehe im Widerspruch zum Grundrecht auf Asyl. Die SPD müsse hier Haltung zeigen und den Menschen, die momentan weder Anhänger der Willkommenskultur noch der Flüchtlingsgegner seien, eine progressive Orientierung bieten.
Wir erleben ein Staatsversagen, auf das mit dem Vorschlag von Asylobergrenzen geantwortet wird
Jens Peick, der sich als persönlicher Referent des Dortmunder Oberbürgermeisters mit Flüchtlingspolitik auf kommunaler Ebene befasst, sprach von einem Staatsversagen auf Landes- und Bundesebene. Zunächst würden staatliche Immobilien veräußert, nun fehlten diese für die Unterbringung der schutzsuchenden Menschen. Es entspreche nicht dem sozialdemokratischen Politikverständnis, den Staat zu verschlanken, damit am Ende ehrenamtliche die Arbeit übernähmen, die eigentlich Angestellte der öffentlichen Hand zu erledigen hätten. Die Reaktion auf dieses Staatsversagen sei nun, die Schaffung von Obergrenzen für Asylsuchende ins Spiel zu bringen. Das könne aber nicht die Antwort sein. Stattdessen müsse die Willkommensstimmung befördert werden.
Am Ende des zweiten Blocks verabschiedeten die Anwesenden eine Resolution, in der sie eine stärkere Verteidigung der Menschen- und Asylrechte durch die SPD forderten. Die Resolution findet ihr in unserem Reader zu Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Podiumsdiskussion: Rot-rot-grüne Antworten auf internationale Krisen
Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion, an der Vertreter von SPD, Grünen und Linken darüber berieten, welche Antworten eine rot-rot-grüne Koalition auf internationale Krisen geben könnte. Die Diskussion könnt ihr hier noch einmal nachschauen.